Muss das Betreuungsgericht ein Sachverständigengutachten einholen?
Holt ein Betreuungsgericht kein Sachverständigengutachten ein, wenn der Betroffene einer Betreuung widerspricht, so verstößt es gegen die Amtsermittlungspflicht und handelt damit rechtswidrig. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 21.11.2012 – XII ZB 296/12 -. Mit diesem Urteil stützt der BGH die Rechte von Betreuten.
Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Betreute erstrebte die Aufhebung der für sie eingerichteten Betreuung. Mit Beschluss hat das Amtsgericht nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme für die Betroffene mit deren Einverständnis einen Betreuer bestellt für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Gerichten, Ämtern, Behörden, Kranken- und Pflegekassen sowie gegebenenfalls gegenüber der Heimverwaltung, allen Wohnungsangelegenheiten und die Postkontrolle, soweit sie nicht offensichtlich den persönlichen Bereich betrifft.
Hiergegen wendet sich nun die Klägerin. Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Klägerin und Einholung einer mündlichen Stellungnahme der im Anhörungstermin anwesenden Sachverständigen Dr. S. mit Beschluss vom 22. März 2012 den Antrag der Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin an den BGH.
Wie entschied das BGH
Der BGH entschied nun, dass die mündliche Stellungnahme eines Sachverständigen im Anhörungstermin nicht ausreichend ist und das Amtsgericht hierdurch gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen hat.
Das Betreuungsgericht hatte vor Anordnung der Betreuung das gemäß § 280 FamFG obligatorische Sachverständigengutachten nicht eingeholt, obwohl keine der in §§ 281, 282 FamFG geregelten Ausnahmen vorlag. Weiterhin vertritt der BGH die Auffassung, dass es nicht ersichtlich war, dass sie auf eine Begutachtung verzichtet hat. Auch kann im Hinblick auf den Umfang der Aufgabenkreise des Betreuers konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Einholung eines Gutachtens unverhältnismäßig gewesen wäre.
Der BGH stellte noch einmal klar, dass es in diesen Fällen regelmäßig die Amtsermittlungspflicht gebiete, in dem Verfahren auf Aufhebung der Betreuung zu prüfen, ob zur Aufrechterhaltung der Betreuung weitere tatsächliche Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens, erforderlich sind.
Was bedeutet das für Betreuer und Betreute?
Betreuer und Betreute, gerade wenn sie pflegende Angehörigen sind, sollten auf alle Fälle beim gerichtlichen Betreuungsverfahren immer darauf bestehen, dass ein schriftliches Gutachten eingeholt werden soll. Verzichtet das Amtsgericht hierauf, so sollte gegen den Beschluss zur Betreuung auf alle Fälle Rechtsbeschwerde eingeholt werden.
Verfasst von: Curendo-Redaktion. Auch wenn wir uns bemühen, dass der Inhalt dieses Blogs immer auf dem neuesten Stand ist, spiegeln die Artikel immer den Stand zum Datum der Aktualisierung wieder. Dieser Artikel wurde zuletzt am 05.02.2015 aktualisiert.