Wann ist eine Betreuung erforderlich?
Pflegende Angehörigen stehen häufig vor der Frage, ob eine gesetzliche Betreuung notwendig ist. Bevor ein solcher Schritt gegangen wird, sollte geprüft werden, ob eine Vorsorgevollmacht ausreichend ist. Aber wann ist diese nicht mehr ausreichend und wann ist eine gesetzliche Betreuung möglich?
Bis zur Einführung des neuen Betreuungsrechtes im Jahre 1991 konnte eine volljährige Person wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Trunksucht bzw. Rauschgiftsucht sowie Verschwendungssucht entmündigt werden. Die Folge der Entmündigung war, dass der Entmündigte geschäftsunfähig war und einen Vormund bekam. Oft war es so, dass wer einmal entmündigt war, kaum eine Chance hatte, dass die Entmündigung wieder aufgehoben wurde. Am 01.01.1992 trat das Betreuungsgesetz in Kraft. Wesentliche Veränderung im Umgang mit psychisch Kranken waren:
- Die Entmündigung wurde abgeschafft
- Nun übernahm ein Betreuer die Aufgabe der Vertretung in bestimmten Aufgabenkreisen
- Der Betreute ist nicht automatische geschäftsunfähig
- Der Betreuer soll den Wünschen des Betreuten grundsätzlich entsprechen
- Vor Einrichtung einer Betreuung ist der Betroffene persönlich anzuhören und aufzuklären
- Die Betreuung ist zeitlich beschränkt
- Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung haben Vorrang
Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung
Das Betreuungsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die Voraussetzung für die Einrichtung einer Betreuung ist in § 1896 BGB geregelt:
Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag hin oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen. Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag des Volljährigen bestellt werden, es sei denn, dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.
Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.
Eine Voraussetzung für die Einrichtung einer Betreuung ist, dass der Betroffene volljährig ist. Grundsätzlich ist es weiterhin so, dass gegen den freien Willen eines Volljährigen keine Betreuung eingerichtet werden kann.
Ist der Betroffene freiwillig damit einverstanden, dass eine Betreuung eingerichtet wird, kann dieses ohne Probleme gemacht werden. Wann ist der freie Wille des Betroffenen aber eingeschränkt? Das Gesetzt sagt, eine Einschränkung des freien Willens liegt vor, wenn dieser durch eine körperliche, seelische oder geistige Krankheit oder Behinderung erheblich eingeschränkt ist. Zu diesen Erkrankungen gehören:
- Endogen Psychosen und affektive wie manisch-depressive Krankheit und Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis
- Körperlich begründbare seelische Störungen, die als Folge einer Schädigung des Gehirns auftreten u. a. neurologische Erkrankungen wie Anfallsleiden, Demenz, Alzheimer, Hirninfarkte, Wachkoma etc.
- Abhängigkeitskrankheiten
- Neurosen und Persönlichkeitsstörungen (Psychopathien), z. B. Borderline-Störungen.
Zu den geistig behinderten Menschen werden die Menschen gezählt, deren geistige Entwicklung durch angeborene oder erworbene Störungen hinter der altersgemäßen Norm zurückgeblieben ist, so dass sie für ihre Lebensführung besonderer Hilfe bedürfen. Hierzu gehören z. B. Down Syndrom etc.
Aber alleine die Feststellung einer dieser Krankheiten führt nicht automatisch zur Einrichtung einer Betreuung. Der Betroffene muss aus diesem Grund nicht in der Lage sein, regelungsbedürftige Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen.
Zu den regelungsbedürftigen Angelegenheiten können rechtliche Angelegenheiten zählen, wie Anträge stellen, aber auch die Versorgung des Haushaltes, die Pflege, Wohnungssuche, Begleitung zum Arzt, Besuch von Freizeitveranstaltungen etc.
Nach § 1896 BGB muss der Wille des Volljährigen eingeschränkt sein. Diese Unfähigkeit zur freien Willensbestimmung muss konkret festgestellt werden. Hierzu holt das Betreuungsgericht ein Gutachten eines Psychiaters ein und muss den Betroffenen selbst anhören.
Beispiel:
Herr O. leidet unter einer Alzheimer-Erkrankung und einer endogenen Psychose. In der Wohnung riecht es nach Urin und Lebensmittel verfaulen in der Küche. Herr O. muss dringend in ein Pflegeheim gebracht werden. Aufgrund seiner Erkrankungen ist Herr O. verwirrt und bekommt die gesamte Situation nicht mehr mit. Hieraufhin regt der sozialpsychiatrische Dienst beim Betreuungsgericht eine Betreuung an.
Eine Betreuung wird nur eingerichtet, wenn es keine Vorsorgevollmacht gibt. Einer Betreuungsverfügung ist vom Betreuungsgericht zu folgen, es sei denn, der vorgeschlagene Betreuer ist nicht in der Lage, die Betreuung durchzuführen.
Das Betreuungsverfahren wird durch einen Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen vom Betreuungsgericht eingeleitet. Das Betreuungsgericht kann nur von Amts wegen das Verfahren in Gang setzen, wenn es von einem Fall erfährt. Daher können Privatpersonen und Behörden, wie das Gesundheitsamt, die Polizei etc. ein solches Verfahren anregen. Das Betreuungsgericht prüft dann die Voraussetzungen für ein solches Verfahren.
Pflegende Angehörige sollten genau abwägen, ob wirklich eine gesetzliche Betreuung notwendig ist.
Verfasst von: Curendo-Redaktion. Auch wenn wir uns bemühen, dass der Inhalt dieses Blogs immer auf dem neuesten Stand ist, spiegeln die Artikel immer den Stand zum Datum der Aktualisierung wieder. Dieser Artikel wurde zuletzt am 16.06.2015 aktualisiert.